Japanisierung in Europa ? Rezepte gegen Zinstief und Stagflation.
Ende der 1980er macht sich die westliche Hemisphäre nicht nur Sorgen wegen der günstigen, aber qualitativ zunehmenden japanischen Autos auf den eigenen Strassen, sondern auch um die Immobilienpreisspirale in Toyko als Folge einer stark expansiven Geldpolitik. Auch der Nikkei als Index für japanische Aktien hatte sich auf 40.000 Punkte verfünffacht.
Dem Boom folgte eine lange Deflation und Niedrigzinsphase in Japan. Der Nikkei halbierte sich, drittelte sich und erholte sich auch nach vielen Jahren nicht vom Tiefststand. Als Ursache mutmasste man, die Japanische Wirtschaft und Gesellschaft müssten sich reformieren, seien aber nicht bereit dazu. Die Zentralbank (BoJ) reagierte erst nach 10 Jahren. In den Börsenkrisen 2002 und 2009 lag der Nikkei schon mal bei 8000 Punkten, heute sind es 22.000. Kleine Besonderheit: Anders als in DAX und Stoxx sind die Dividenden im Nikkei nicht eingerechnet, es ist kein Performance Index.
Der Rest der Welt hat Börsenkrisen auch erlebt, aber die großen Aktienmärkte in den USA und Europa haben sich immer wieder erholt – too big to fail. Nur sind nach der letzten Finanzkrise die Zinsen in Europa sehr niedrig geblieben – im Unterschied zu den USA. Ein Symptom für fehlen Strukturwandel ? Eine Ursache ? Ein Teufelskreis ? Drohen uns Jahrzehnte schwachen Wachstums, schlechtes Investitionsklima und hausgemachte Wettbewerbsnachteil gegenüber China ?
Die USA haben die Hausaufgaben für den US-Dollar besser gelöst, als die Europäer für den Euro – dank eine Zentralregierung wurden die Reformen schnell eingeleitet. Die EZB hingegen zögerte 2-8 Jahre um stufenweise die Zinsen zu senken und ein Quantitative Easing einzuführen. Länger noch bis Dezember 2018 dauerte es, bis alle Rechtsfragen vor BGH und EuGH geklärt waren. Die Europäer haben hier strukturelle Nachteile. Selbst die Schweizer Zentralbank kauft Wertpapiere und hält sich nicht einmal mit Anleihen auf, sondern greift gleich bei Aktien zu.
Ähnlich wie die Europäer hat damals die japanische Zentralbank bis 1999 gezögert, um dann die Zinsen zu senken. Aber Japan hat vorbildhaft die Banken gezwungen, faule Kredite transparent zu machen und jährlich einen festen Satz abzuschreiben. Hier liegt der wichtigste Unterschied: Die Europäische Zentralbank hat dies nicht vorgeschrieben und so lauern in den Bilanzen der europäischen Banken ungeahnte Immobilienkredit-Risiken als Folge einer Immobilienpreisblase – am schlimmsten in Spanien. Durch die massiven Anleihekaufprogramme hat die EZB erstmalig auch die Zinsen am langen Ende (10 Jahre) senken können. Damit hat sie die technisch eigentlich bankrotten Immobilienfinanzierungen in den Bilanzen der Banken über niedrigere Zinsen (anstelle von Abschreibungen) zu Lasten privaten Sparer refinanziert – de facto dank niedriger Zinsen tragfähig für die überschuldeten Eigentümer gemacht. Das Gespenst der Stagflation dreht seine Runde in Europa.
Der große Unterschied zu den USA in Europa und Japan ist und war, dass Risiken aus Immobilienkrediten und auch Bankkredite an Unternehmen zu 80-90% in den Bilanzen der Banken bleiben und nicht in Form von Wertpapieren am Kapitalmarkt landen. Die europäischen Banken versuchen von spärlichen Zinseinnahmen zu überleben, früher hiess „3-6-3“-Geschäft: drei Prozent geben, sechs Prozent nehmen, um 3 Uhr auf dem Golfplatz treffen. Das war wohl schön und ist vorbei. In den USA gehen Kredite an den Kapitalmarkt, zum Beispiel sogar als Subprime-Loans. Die US-Banken leben zu 80-90% von Gebühren, statt von (niedrigen) Zinsen. So haben sich die amerikanischen Banken schnell erholt oder mussten gerettet werden, wenn sie ihren eigenen Papierschrott (Subprime) gekauft hatten, wie Lehman.
Last, but by far noch least: Druck auf die Renditen durch Demographie und die Digitalisierung !
Die Alterung der Gesellschaft sorgt für eine insgesamt risikoaverse Geldanlage. Ohne Inflation ist Entsparen ohnehin durchaus rational. Bleibt die Inflation niedrig, gibt es kaum Druck auf der Zinsseite. Momentan werden alle Anleihen, welche die EZB nicht kauft mit großer Begeisterung vom Markt aufgenommen. Die Digitalisierung übt ebenfalls und wie zuvor die Globalisierung Preisdruck aus: Digitalisierbare Dienstleistungen sind global und überwinden mit Leichtigkeit jegliche Zollschranken. Somit werden auch ohne Zutun der EZB die Zinsen niedrig bleiben und Aktien in jeder Hinsicht eine gute Alternative.
Aber das hilft ja nicht den europäischen Banken, die noch von Zinsen leben. Das schadet mittelbar der Kreditvergabe und dem Investitionsklima. Was hilft ?
Es benötigt Reformen auf EU Ebene. Damit sie wirken, muss man aber vom Investor her denken – was reizt ihn ?
- Zwangsweise Offenlegung und Abschreibungen auf faule Kredite in den Bankbilanzen. Die neuen Kapitalregeln haben zwar zur Aufstockung der Eigenkapitalquoten geführt, aber wofür genau ? Um im Markt wieder Vertrauen in die Banken zu schaffen, benötigt einfache Regeln, die Abschreibungen forcieren, bzw. erzwingen. Das ist hilfreicher für das Vertrauen als ein echter EU Währungsfonds und ein Eurozonen-Budget, für Strukturwandel und Katastrophen. Beides kann evtl. auch nötig sein, das sieht man im Laufe der Umsetzung.
- Ein hilfreicher Nebeneffekt wäre, dass die Banken faule Kredite verbriefen. Das erfordert aber einen einheitlichen Euro-Kapitalmarkt, d.h. eine „Kapitalmarktunion“ über nur Regeln für Börsen hinaus.
- Der europäische Regulator muss den Banken Anreize zur Verbriefung von Risiken geben. Investoren suchen höhere Zinsen und schlagen hemmungslos zu, wenn sie auch noch Steuern sparen können. Ausserdem bewerten sie die Risiken nicht so hoch, wie die Banken – dank der hohen Immobilienpreise ist der Zinsaufschlag für die Risikoübernahme nicht so hoch, wie er vor Jahren gewesen wäre. Die Verbriefung muss für die Banken günstiger sein, als die Abschreibung plus Unterlegung mit (evtl. gemessen am Risikogehalt viel zu wenig) Eigenkapital.
- Sehr innovativ wäre diese Regelung: Zinsen auf Staatsanleihen auch steuerfrei zu stellen, wenn private Schuldner die Staatsanleihen des eigenen Landes halten. Solange es kein zentrales europäisches Finanzsystem / Finanzbehörde gibt, wäre das eine kluge Übergangsregelung. Schliesslich haben die Italiener nicht nur die höchste Verschuldung, sondern auch ein entsprechend höheres Pro-Kopf Vermögen. Im Moment erhalten sie 2.5% Zinsen auf Ihre Staatsanleihen. Auch der japanische Staat ist nach der Krise zwar hoch verschuldet, aber im wesentlichen die eigenen Pensionäre halten die japanischen Staatsanleihen. Das ist sehr rational für beide Seiten und brachte über Jahre eine sicherere und bessere Rendite als der dortigen Aktienmarkt.
- Steuerfreie Basis-Altersvorsorge: Kapitalertragssteuern und vor allem Kursgewinne bis zu einem bestimmten Volumen steuerfrei stellen (wie Nippon Savings Account oder das britische ISA) und darüber hinaus bis zum noch einmal vierfachen Volumen halbieren. Das hilft niedrigen Einkommensgruppen, sich mehr für die Anlage in Aktienfonds und ETF zu erwärmen – überhaupt davon zu erfahren ! Dazu muss man sich natürlich gedanklich von den Leistungszusagen und Produkten mit eingebauten Garantien (CPPI) verabschieden, die in Zeiten niedriger Zinsen ohnehin nicht funktionieren können.
In Summe: Einheitliche Standards im Kapitalmarkt sind auf EU-Ebene zügig umzusetzen. Steuerliche, langfristige Anreize für a) Aktiensparen (pay & forget) und b) den Ankauf der eigenen Staatsanleihen und c) die Verbriefung von Immobilien-Risiken in Bankbilanzen. Letztere müssen über sonst drohende Abschreibepflichten forciert werden.
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